Freitag, 4. Juli 2014

Mannheim Media Night

Das war mal eine in jeder Hinsicht abwechslungsreiche Veranstaltung mit extremen Hochs und Tiefs bei den Vorträgen.

Der Reigen wurde eröffnet von Frau Dr. Silvia Danne, "Marketing-Expertin" mit dem Vortrag "Anders und nicht artig - Ihr Weg zu ANfdersArtigkeit im digitalen Zeitalter von Marketing 3.0".
Nach meinem Eindruck ein typischer Fall von inhaltsleerem Marketing-Geblubber. Ich saß da und habe mich nur geärgert. Die Definition von "Marketing 3.0" war noch OK und dass man neue Wege gehen und nutzen soll, ist sicher richtig. Aber in den Beispielen war NICHTS Neues. Da war ein Beispiel für eine Plakatwerbung und ein netter Film, ein interessantes Produkt etc. pp. Alles gut und richtig, wäre aber ohne "Marketing 3.0" genau so erfolgreich gewesen. Gut gemacht ist halt einfach gut gemacht ... das hat erst mal nichts mit "3.0" zu tun. Ich würde ihr gerne mal zwei Fragen stellen:
(1) Wie viel Prozent der erfolgreichen Unternehmen sind in Ihrem Sinne "andersartig" und wie viele erfolgreiche Unternehmen machen schlicht und ergreifend einen guten Job - ganz klassisch und ohne Marketing-Onanie?
(2) Und was heißt das jetzt konkret? Wir sollen also "andersartig" sein und "viral" werden!? Ja, ich wäre auch gerne ein guter Geigespieler und etwas gelenkiger. Mit Appellen und Wunschvorstellungen ist doch niemand geholfen! Irgendein Fingerzeig, WIE man auf diesem Weg vorwärts kommen könnte, wäre ein echtes Highlight gewesen.

Nach dem zweiten Vortrag von Dr. Willms Buhse über "Management by Internet: Neue Führungsmodelle für Unternehmen in Zeiten der digitalen Revolution" hätte ich beinahe die Veranstaltung verlassen. Das war für mich der typische Fall eines betriebsblinden Idealisten, der meint, die ganze Welt würde so funktionieren, wie sein Agentur-Alltag. Wieder viele idealistische Ideen und Träume, aber nichts handfestes, nichts selbstkritisches, nichts zielführendes für das "richtige Leben". Telearbeit im Einzelhandel und der Kunde irrt einsam durch das Ladengeschäft? Flexible Arbeitszeiten und 'Work-Life-Balance' und der Kunde wundert sich, dass der Servicetechniker nachts um 4:00 Uhr klingelt? Ganz ehrlich: ich habe selten eine oberflächlichere Abhandlung eines so spannenden Themas erlebt.

Gott sei Dank bin ich nicht gegangen ... der zweite Teil war grandios!

Jan Ditgen (www.comedy-redner.de) ist extrem witzig und obwohl es fast nur Klamauk war, empfand ich auch inhaltlich als Steigerung. Die Laune war gerettet!

Mandy Baumann von Gallupp war für mich das Highlight des Abends. Sie erteilt Werbung auf Social Media eine glatte Abfuhr. Das macht sie mir schon mal sympathisch. "Trying to pitch your products over social media is like handing out business cards at a funeral. (Seth Godin)". Der Unterschied zwischen Werbung und Teilhabe an einer Community ist eben doch ein grundsätzlicher! Beispielsweise gehört eben nicht nur das Pushen der eigenen Werbebotschaft dazu, sondern auch der umgekehrte Weg - das Zuhören. Sie empfiehlt den "Chief Listening Officer" als Ersatz oder Ergänzung zum "Social Media Manager".
Eine Geschichte, die mit Media und "3.0" gar nichts zu tun hat, aber für mich aus Personaler-Sicht besonders eindrucksvoll war: Eine internationale Hotelkette hat allen ihren Mitarbeitern (vom Zimmermädchen bis zum Direktor) die Verantwortung für jede an sie herangetragene Kundenbeschwerde übergeben und dazu die ausdrückliche Genehmigung, bis zu 2.000 Dollar pro Tag und pro Gast auszugeben, um evtl. anfallende Probleme zu lösen. Auf den ersten Blick abenteuerlich, aber das Ergebnis spricht für sich: massiv gestiegene Mitarbeiterzufriedenheit (Verantwortung, Vertrauen, ...), massiv gestiegene Kundenzufriedenheit (kurze Wege zum Problemlöser statt "bin-ich-nicht-zuständig") und dabei im Schnitt nur 20 Dollar Mehrkosten pro Gast.

Ebenfalls eindrucksvoll, authentisch und inspirierend: Jochen Mai (Gründer von karrierebibel.de) zum Thema "Corporate Blogs sind das Facebook von morgen". Drei mal dürfen Sie raten, warum ich ausgerechnet heute, nach mehreren Wochen Pause, mal wieder was schreibe...
Interessant der Grundgedanke: Ein "eigener Blog" verhält sich zu "Posts bei facebook" wie "Haus bauen" zu "Wohnung mieten".

Also: Gratulation an die Macher der Mannheim Media Night! Unterm Strich hat es sich wirklich gelohnt!